Archiv für den Monat: August 2011

Blogaktivität bei der Frankfurter Buchmesse gestartet. E-Books und E-Book-Reader in Bibliotheken

Seit Montag berichte ich im Blog der Frankfurter Buchmesse über Neuigkeiten und Interessantes rund um Buch, Bibliotheken und Information. Zum Auftakt führe ich ein Gespräch mit Rudolf Mumenthaler über E-Books und E-Book-Reader in Bibliotheken.

Ronald Kaiser: In den Vereinigten Staaten hat sich der E-Book Markt gegenüber dem gedruckten schon durchgesetzt. Wann ist es bei uns soweit?

Dr. Rudolf Mumenthaler: Na ja, wie weit dies in den USA tatsächlich geschehen ist, scheint mir noch etwas unsicher. Amazon liefert ja keine detaillierten Zahlen. Und wenn man sieht, dass unter den meistverkauften E-Books doch sehr dünne Werke sind, die man kaum als Buch in einem Buchladen kaufen würde, werden da schon Äpfel mit Birnen verglichen. Im deutschen Sprachraum wird es erst recht noch eine ganze Weile gehen, bis die E-Books die gedruckten Bücher bedrängen können. Das hat nicht zuletzt mit dem immer noch eher dürftigen Angebot an aktuellen Titeln zu tun – und mit dem zu hohen Preis für die Lizenzierung einer Datei.

Ronald Kaiser: E-Book Reader gibt es inzwischen in vielen Ausführungen. Werden diese aber nicht über kurz oder lang von Tablett PC`s abgelöst?

Dr. Rudolf Mumenthaler: Ich gehe davon aus, dass die E-Book-Reader auf der Basis von E-Ink eine Rolle im Tiefpreissegment spielen werden. Einige Kollegen sind begeisterte Nutzer eines Kindle, besonders wegen des angenehm lesbaren Displays. Ich persönlich nutze allerdings ein multifunktionales Tablet, bei dem ich meine E-Books auch zur Hand habe. Amazon selbst soll ja angeblich dieses Jahr noch ein eigenes Tablet lancieren. Damit würde das Pendel dann noch stärker zugunsten der Tablets ausschlagen.

Ronald Kaiser: Müssen Bibliotheken auch Reader ausleihen ? Welche Erfahrungen hat die ETH Bibliothek damit gemacht?

Dr. Rudolf Mumenthaler: Die ETH-Bibliothek leiht die Reader nur insofern aus, als man sie im Lesesaal testen kann. Wir laden also nicht im größeren Stil E-Books auf die Reader und leihen diese dann aus, wie andere Medien. Abgesehen davon, dass dies in der Regel den geltenden Lizenzverträgen widersprechen würde, gehe ich davon aus, dass die Nutzer mit ihren eigenen Geräten in die Bibliothek kommen werden. Es scheint mir also wichtiger und sinnvoller, die E-Books so bereitzustellen, dass sie mit diesen Geräten konsumierbar sind.

Ronald Kaiser: Die Bestandspräsentation ist natürlich auch für E-Medien wichtig. Was macht die ETH in diesem Bereich?

Dr. Rudolf Mumenthaler: Primär setzen wir hier auf unsere neue Suchoberfläche. In unserem Wissensportal (www.library.ethz.ch) können die Online-Ressourcen wie eben E-Books sehr prominent über eine Facette ausgewählt werden. Heute findet man E-Books viel schneller als im alten Katalog. Bei einem Bestand von mittlerweile über 100’000 E-Books wird eine separate Bestandspräsentation etwas schwierig. Wobei wir sicherlich auf der Ebene der fachspezifischen Seiten noch etwas mehr auf dieses neue Medium aufmerksam machen könnten, z.B. mit einer Rubrik „E-Book des Monats“.

Ronald Kaiser: Was könnten Verlage tun, um E-Books noch attraktiver zu machen?

Dr. Rudolf Mumenthaler: Grundsätzlich müssten E-Books billiger sein. Angesichts der beschränkten Rechte und Einsatzmöglichkeiten von E-Books gegenüber gedruckten Büchern, ist der Preis zu hoch. Zudem sollten die aktuellsten Titel sofort auch als E-Books angeboten werden. Das heutige Angebot ist in dieser Hinsicht zu wenig attraktiv.
Weiter plädiere ich für offene Formate. Bei den Wissenschaftsverlagen muss man von der Praxis wegkommen, dass E-Books wie eine Zeitschrift als eine Ansammlung von Einzeldokumenten (Kapiteln vs. Artikeln) angeboten werden, die einzeln heruntergeladen werden müssen. Abgesehen davon, dass dadurch das Lesen von Texten extrem fragmentiert wird, ist das Herunterladen und Organisieren eine mühsame Arbeit für den Kunden.
Die Verlage sollten auch davon wegkommen, einfach eine digitale Version des gedruckten Buchs anzubieten. Schon heute lassen sich multimediale Inhalte und interaktive Elemente integrieren.

Ronald Kaiser: Zum Abschluss noch eine Frage. Welches Buch, egal ob E oder nicht, haben Sie zuletzt gelesen und worum ging es darin?

Dr. Rudolf Mumenthaler
: Eine intime Frage… Ich lese ziemlich viel und in sehr unterschiedlichem Kontext. Zur Unterhaltung lese ich gerne Kriminalromane, wobei ich kürzlich den Roman Leopard von Jo Nesbo auf Englisch gelesen habe, da er auf Deutsch noch nicht elektronisch verfügbar war. Momentan lese ich gerade meine alten (gedruckten) Wallander-Krimis wieder, und zwar in der „richtigen“ Reihenfolge. Aus beruflichem Interesse habe ich mir gerade das visionäre Werk von Jaron Lanier „You are not a gadget“ als Kindle E-Book besorgt. Hierin beschreibt der Internet-Pionier, dass es letztlich bei aller Technik um den Menschen geht. Und er sagt: You have to be somebody before you can share yourself.

Dr. Rudolf Mumenthaler

Rudolf Mumenthaler
Dr. Rudolf Mumenthaler
Nach dem Studium der Geschichte, Russistik und Politologie an der Universität Zürich promovierte er mit einer Dissertation über Schweizer Gelehrte im Zarenreich. 1991-1997 arbeitete er als Assistent am Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Universität Zürich. 1997 wurde er Leiter der Wissenschaftshistorischen Sammlungen der ETH-Bibliothek Zürich, 1999 der Spezialsammlungen. Seit 2009 befasst er sich als Leiter des Bereichs Innovation und Marketing der ETH-Bibliothek mit Innovationsmanagement, betreibt einen Blog und ist aktiv auf verschiedenen sozialen Netzwerken. Setzt sich intensiv mit E-Book-Readern und ihren Einsatzmöglichkeiten in Hochschulbibliotheken auseinander.

Anschrift: ETH-Bibliothek, Leiter Innovation und Marketing, Rämistr. 101, CH-8092 Zürich.
Email: mumenthaler@library.ethz.ch